Der See in Whistler kann sich durchaus mit den Banff Seen messen

Urlaub vom Urlaub

Spätsommer in Whistler und Vancouver Island

 

Wahrscheinlich habe ich eine Überdosis Natur abbekommen. Es war nicht nur das Wetter. Als Städter habe ich ein Urlaubsverhältnis zur Natur. Und dieser Urlaub in der Natur war eindeutig zu lang. Strand kann ruhig und abgelegen sein, aber eine Strandbar sollte er schon haben. Die dichten Wälder können durchaus Hänsel und Gretel in die Irre führen, aber am Ende hätte ich gerne nicht das Knusperhaus, sondern eine Waldmühle mit Sonnenterasse und knusprigen Kuchen. So domestiziert lässt sich Natur auf ausgeschilderten Pfaden ertragen.

Der Norden Amerikas bedient diese Sehnsucht jedoch nicht. Dünnen Kaffee gibt es allerhöchstens in Drive Ins. Behaglichkeit soll ein Bretterverschlag oder ein Container mit einigen Stühlen davor vermitteln. Das ist die Luxus-Variante. Normal ist die Kaffeebude im Supermarkt oder der Tankstelle. Die Wälder sind riesig und unaufgeräumt und Wege muss man sich selber schaffen oder im dichten Unterholz finden. Und die schön gelegenen Campingplätze in den Parks haben keinen Strom, kein Netz, keine Dusche, sondern nur Plumpsklos und einen Wasserhahn mit zweifelhafter Wasserqualität. Und von einem Restaurant oberhalb des Niveaus Frittenbude lässt sich nur träumen. So fallen einem die wenigen Kaffees mit selbstgemachten Kuchen und guten Milchkaffee auch sofort auf, wie das im alten Bahnhof in Seward. Wenn da nur das Wetter besser gewesen wäre.

Dass es mit dem urbanen Lifestyle im Norden nicht so üppig ist, war mir vorher klar. Trotzdem habe ich genau die Strandbars, die Wald Cafés und die Restaurants mit Ambitionen oberhalb der Pommesbude vermisst. Wie sehr ich ausgehungert nach städtischen Ambiente war, wurde mir im ehemaligen Olympiaort Whistler und auf Vancouver Island klar.  

Hier gibt es das Alles. Die Shoppingmalls, die Straßenkaffees, Restaurants mit innovativer Küche, urbanes Leben eben. Obwohl ich gegen olympische Retorten-Siedlungen nach meiner verzweifelten Suche im sommerlichen Sestriere nach einem Hotel und einem offenen Restaurant im Anschluss an eine Radtour auf der Assietta -Grenzkammstraße eine große Skepsis entwickelt habe, muss ich gestehen, die Architekten von Whistler haben es geschafft Flair in die Ansiedlung zu bringen und die Leute nehmen es an und strömen auch im Sommer in das Bergressort. Und von der Terrasse der Lokale lassen sich die Downhiller auf den Olympiapisten beobachten. Ein tolles Revier. Nur die Liftkarten sind eindeutig zu teuer.

Es gibt einen guten Indikator für den Behaglichkeitsfaktor eines Großstadtindianers wie mich.  Sind Buchläden auf der Hauptstraße, so sollte man sich die Siedlung näher anschauen. Gibt es Secoundhand Buchläden ist ein Verweilen angezeigt. Und das ist es, was mich für die beiden einzigen Siedlungen an der Westküste Vancouver Islands Tofino und Ucluelet eingenommen hat. Zuerst fielen die Buchläden, dann die guten Restaurants mit Außengastronomie und anschließend die Tourveranstalter mit interessanten Angeboten auf. Tofino gilt vielen noch als Hippie Refugium. Doch die sind mittlerweile auch in der Mitte der Gesellschaft angekommen, mit BMW SUV vor dem „bescheidenen“ Wochendhaus. Und am Wochende gesellen sich die angesagten Hipster aus Vancouver hinzu. Die Strände gelten als Surfparadiese im eiskalten Pazifik (nur mit Neoprenanzug ist das Wasser auszuhalten). Alternativ: Strandablaufen und Herumstöbern im Strandgut auf den kilometerlangen Sandstränden des Pacific Rim Nationalparks. Ein Gefühl wie an der Ostsee nur intensiver. Die Wälder, die bis an den Strand reichen sind dichter, der Wind ist heftiger und kühler, das Wasser lädt auch an heißen Tagen nicht zum abkühlenden Bad ein.

70 km der Ostküste von Nanaimo bis Campbell sind dagegen eine durchgehende Tourismuslandschaft mit den üblichen Fastfood- und Vergnügungsparks. Daher war ich so angenehm überrascht in der südlichen Hauptstadt Victoria in gut restaurierten 19 Jahrhundert Geschäften wieder üppiges urbanes (alternatives) Leben zu finden. Sogar ein kleines Chinesenviertel (das älteste Kanadas) gibt es.

Und als Radfahrer freute ich mich besonders über die Radautobahn, die auf einer alten Bahntrasse 20 km um die ganze Bucht führt und Anschluss zum 30 km entfernten Fährhafen Sidney hat. Eine tolle Gelegenheit, die Südspitze von Vancouver Islands zu erkunden.

Das waren gut zwei Wochen Erholung vom Reisen. Der Fuß hat sich nach einer Woche wieder beruhigt. Nach 23000 km durch Kanada und Alaska konnte ich auch den nervigen Bordcomputer durch eine Inspektion des Autos mit Ölwechsel beschwichtigen.

Gerne wäre ich noch länger geblieben, aber der Wettergott hatte ein Einsehen mit den Einheimischen, die sich beklagten, daß dem Kaltregenwald das Wasser ausgehe und man selbst auch vertrockne. Also hat er 1,5 Wochen Dauerregen geschickt und mich von der Insel vertrieben. Da Vancouver auch Regen bestellt hatte, bin ich vom einzigen Teeanbaugebiet Kanadas (hat Deutschland überhaupt eines?) in die einzige Wüste des Landes, das südlich Okananga Tal gefahren. Aber diese Wüste lebt, mit Anbau von guten Weinen.

Auf nach Vancouver Island

Strände

Noch mehr Strände zum wandern

Aktivitäten in Tofino

Radautobahn in Victoria