Traumhaftes Mogador

Vielleicht lag meine fehlende Begeisterung für Marrakech an meinem mangelnden Drogenkonsum, tröstete ich mich vor meiner Abreise ins alte Piratennest Mogador, dem heutigen Essaouira. Waren nicht Sex, Drugs and Rock and Roll die Inspirationsquellen für die swingende Jugend der 60er Jahre. Und vielleicht machten sie erst die Städte richtig schön und legendär. Rock and Roll hatte ich genug für 48 Stunden auf meinem alten I Pod geladen. Und wenn es richtig ist, dass gutes Essen der Sex der Rentner ist, dann hatte ich mit Tajine, Couscous und Zuckergebäck ein erfülltes Liebesleben. Blieben nur die fehlenden Drogen in Form von Wein, um inspiriert marokkanische Städte zu genießen.

Dass ich die auch für Mogador brauchen könnte, schwante mir, als ich von dem Gerücht hörte, in den 60er Jahre habe es Legenden wie Bob Marley, die Rolling Stones, Jimi Hendrix und Jim Morisson nach Essaouira gezogen. Und die waren alle begnadete Drogenkonsumenten.

Also enterte ich in Essaouira als erstes den Carrefour Hypermarche. Im Gegensatz zu seiner marokkanischen Konkurrenz Marjane hat der nämlich eine angeschlossene Alkoholabteilung. Dort entdeckte ich auch marokkanischen Wein. Zwar dürfen Moslems keinen Alkohol genießen, aber scheinbar herstellen. Mit dieser religiösen Arbeitsteilung kann ich leben. Andere produzieren und ich genieße und was passt besser zu marokkanischen Städten als einheimische Drogen. Übrigens: Auch jenseits aller Städteverklärungen ist der Wein aus dem Argantal bei Mogador gut, wenn auch für marokkanische Verhältnisse ein bisschen teuer (rd 10 Euro). Zudem könnte es sich lohnen, eine bacchische Schneise durch die marokkanischen Weinlagen südlich von Meknès zu schlagen.

Die ganzen Vorsichtsmaßnahmen waren aber überflüssig. Mogador muss man sich nicht schön trinken. Auch ganz nüchtern betrachtet ist die Stadt ein Traum. Die Festung auf einer Landzunge ist als Ensemble noch vollständig erhalten. Sie erinnert in ihrer rechteckigen Anlage ehe an die weißen andalusischen Städte, eine Mischung aus Cordoba und Cádiz. In den Gassen herrscht reges orientalisches Treiben. Die Einheimischen leben und arbeiten noch in der Stadt, Gewürzhändler mahlen ihre Gewürze und Öle vor Ort, Keramikwerkstätten bemalen die Kacheln von Hand und Schreiner bauen kunstvollste Kästchen und Schränke aus Nussbaum.

Alles was in Mogador an realen Leben noch ist, habe ich in Marrakech vermisst. Im Souk liefen dort nur Händler und Touristen rum, während die Einheimischen in den modernen Nachbar Ortteilen in den H&M Läden stöberten und bei Starbucks den Kaffee schlürften.

Mogador dagegen ist nach wie vor eine wusilige orientalische Handelsstadt und der Alltag fühlt sich nicht so verschieden an zu der Zeit, als die Karawanen aus Timbouctou hier auf den Seehandel mit Europa und Amerika trafen. Die Stadt ist nach wie vor in verschiedene Marktsegmente aufgeteilt, Fischmarkt, Getreidemarkt, Holz, Gewürz, Klamotten. Abgetrennt an der Stadtmauer liegt ein kleines jüdisches „Ghetto“ mit mehreren kleinen Synagogen. Mir scheint es sogar, dass auch heute noch abends die Zugangstore zum Ghetto verschlossen werden. Nach telefonischer Absprache öffnen Betreuer die Gebetshäuser zur Besichtigung. 

Verlieben kann man sich in die alten, von Wind und Sahara gesandstrahlten schiefen Haustüren, die noch die ursprünglichen, üppigen Verzierungen erahnen lassen. Der Charme der Stadt liegt in ihrem unsanierten, Jahrhunderte alten, leicht schmuddeligen Gebrauch. Und im Fischereihafen vor den massiven Toren der Stadt würde es einen nicht wundern, wenn Sindbad der Seefahrer um die Ecke käme. Touristen, europäische Aussteiger und Lebenskünstler aller Art sind zahlreich anzutreffen, aber für das städtische Leben nicht Dominat.

Allerdings sind erste Stadthäuser schon hübsch saniert und zu Nobelhotels oder Fremdenverkehrseinrichtungen umgebaut worden. Um sie herum ist das pulsierende Leben bereits ausgestorben.  Und die Arbeit zur Erneuerung der Weltkulturerbestadt haben erst begonnen. Südlich der Festungshalbinsel, am der ca. 2 km lange Sandbucht ist bereits eine breite Promenade entstanden und erste internationale Hotelketten wie  Le Meriden, Sofitel und Ibis habe sich ihren Platz in der ersten Strandreihe bereits gesichert. Dahinter liegt schon viel erschlossenes Land in der Erwartung weiterer Bauten.

Also schaut euch dass alte Mogador bald an. Später müsst ihr euch das sanierte, moderne Essaouira schön trinken.

Strand und Mogador aus der Chill-Station der Kitesurfer