Kontrastreiches Marokko

Wer in Marokko das Gefühl von „Tausend-und-einer-Nacht“ sucht, hat es schwer. Er wird zwar noch einige der Kulissen für den Traum finden. Aber er teil ihn mit tausenden Anderen, die nicht Aladin oder Sindbad heißen, sondern aus Wanne-Eickel, Lyon oder Bilbao stammen. Und auf deren Bedürfnisse ist das Angebot zugeschnitten. In den Disney-Supermärkten, den Suks bewegen sich nur ausländische Touristen und einheimische Verkäufer. Vor den großen Dünen des Erg Chebbi warten Kamele gelangweilt auf Touristen, die sie auf die 150 Meter hohen Sandhaufen bringen können. Die geliehenen Skier und „Snowboards“ für die anschließende Abfahrt nehmen die Kamele gleich mit. An jeder Ecke der Wüste können Quads gemietet werden und vom Morgengrauen bis tief in die Nacht knattern zahlreiche von ihnen durch die Dünen. Der Himmel über der Wüste ist in Wahrheit voller Zweitakter Sound.

Die Handis haben auch im entlegensten Winkel der Wüste Empfang. Im malerischen Zedernwald von Azrou blockieren wild abgestellte Autos die große Nationalstraße. Ihre Fahrer und die anderen Insassen sieht man laut schreiend mit einem Stück Brot in der Hand den wilden Berberaffen hinterherrennen.

Vor jedem Lehmdorf auf der Straße der Kasbahs stehen ein halbes Dutzend Wohnmobile und ihre Besitzer schlendern über die staubigen Pfade zwischen den alten Trutzburgen.

Der Eingang der Todraschlucht steht auf dem Besuchsplan jeder asiatischen Reisegruppe. Dort herrscht tagtäglich eine Handy-Stic Dichte wie auf der Domplatte und es kommt zu entsprechend vielen Selfie Staus.

An solchen Orten lässt es sich schwer in den romantischen Orient träumen. Eigentlich ist es ein Tourismus wie bei uns zuhause, nur mit etwas veränderter Kulisse.

Marokko wird interessant, wenn man die touristischen Hotspots verlässt und den Märchentraum von Arabien vergisst. Schaut auf die Kontraste und Widersprüche des Landes und nicht auf den Gegensatz von Traum und Wirklichkeit.  

Fährt man die Todraschlucht weiter hoch, trifft man nur noch wenige Ausländer. Bis an den Pass bei Imilchi ist die Straße neu geteert und von der anderen Seite ist sie fast durchgängig neu trassiert. Im Hochtal liegen auf fast 2500 m Höhe zwei schöne Seen in imposanter Bergkulisse. Interessant wird es, was der technische Fortschritt und der Anschluss an die Welt mit den einst abgeschnittenen Dörfern anstellt. Wird es z.B. den traditionellen  Frauenmarkt der Berber in Imilchi, auf dem die geschiedenen Frauen neue Männer suchen, weiterhin geben? Oder werden sie stärker das größere und nun leichter erreichbare Angebot im Tal nutzen? 

Dort oben laufen die Kinder noch jedem Auto freudig hinterher. Dagegen machen sich auf der Straße der Kasbahs die Jungs einen Spaß daraus, Wohnmobile mit Steinen zu bewerfen. Ich habe zwei abbekommen. Nichts Schlimmes, nur leichte Dellen im Blech.

Die Kasbahs in den Atlastälern sind genauso interessant wie die berühmten Filmkulissen und der Sand im Erg Chegaga türmt sich fast so hoch auf wie die Dünen des Erg Chebbi. Nur dröhnen hier nicht die Zweitakter Quads unter dem Himmel über der Wüste.

Die Schönheit eines grünen Palmenhains lässt sich am besten nach einer stundenlangen Durchquerung der baumlosen Wüste ermessen.

gestreifte Berge

Und der Antiatlas erinnerte mich an einen Maler gestreifter Berge. In den baumlosen Gebirgszug treten die Gesteinsformationen als Streifen und Linien deutlich zutage und bilden irrwitzige Strukturen.