„Las Hurdes“ heißt der expressionistische Skandalfilm über Not und Elend der spanischen Landbevölkerung aus dem Ende der 20er Jahre. Jedes Mal, wenn ich an historische Armut in Europa denke, fallen mir Bilder aus diesem 30-minütigen schwarz-weiß Film ein. Die pseudodokumentarische Darstellung von wirtschaftlicher Unterentwicklung und menschlichen Elends wird durch einen pathetischen anklagenden Kommentar verstärkt. Und der Untertitel „Land ohne Brot“ ist programmatisch gemeint. Las Hurdes begründete den Ruhm des Regisseurs Luis Bunuel. In beklemmenden Schwarz-Weiß Bildern stellt er die hoffnungslose Unterentwicklung des spanischen Landstriches Las Hurdes im Nordwesten der Estremadura dar, die Armut, den kargen Boden, die malariaverseuchten Flusssenken und die lethargischen Menschen. Die Bewohner vegetieren mehr wie Vieh dahin, als das sie wie Menschen leben, klagt der Film an. Selbst die in Spanien allgegenwärtigen Hunde oder Katzen haben diesen elenden Ort verlassen, will der Film vermitteln und gar ein genügsamer Esel wird in der deprimierenden Gegend verrückt. Anders als die politischen Filme der Zeit verzichtet er auf Helden oder den Hinweis zur Überwindung der üblen Zustände. Er ist pure plakative Anklage.

Ob er auch die Situation vor 90 Jahren in der spanischen Provinz realistisch darstellt, ist umstritten. Die Feudalherrn leugneten natürlich früh, dass solches Elend überhaupt existierte. Kenner der Gegend meinten, dass in Las Hurdes durchaus Getreide angebaut wurde. Dieses wurde aber nicht zu Brot, sondern zu Brei verarbeitet. Tierschützer beklagen noch heute in Internetforen, die Filmcrew habe alle Hunde und Katzen vor dem Dreh getötet und dem Esel sei Honig ins Gesicht geschmiert worden, damit Bienen angelockt würden. So sei das Tier zu den verrückten filmreifen Ausfällen gezwungen worden.

Filmenthusiasten ficht das alles nicht an. Sie verweisen auf die in der Kinogeschichte neue expressionistische Darstellungsform. Mit Blick auf Bunuels Lebenswerk leugnen sie jegliche dokumentarische Absicht des Filmemachers. Im Gegenteil: die Überzeichnung der Situation sei das durchgängige Gestaltungsmerkmal seiner Werke.