"Was wollen sie denn in dem Kaff, wenn sie aus Europa kommen?" Die Entgeisterung des jungen Mädchens an der Rezeption des Stellplatzes an der Schleuse in Smiths Falls im Farmgebiet südlich von Ottawa war spontan. Und man konnte es ihr auch nicht verdenken, denn Smths Falls ist keine Schönheit. Ein normales kleines Städtchen im Hinterland Ontarios mit allem, was dazu gehört: Fastfood Ketten, Candian Tire Supermärkten (Baumarkt), Walmart und einem Chinesen.
Als ich ihr dann erklärte, daß ich wegen der alten Schleusen am Rideau Kanal gekommen wäre, hat sie mich vor Entsetzen direkt abkassiert. Man weiß ja nie, was so komische Europäer anstellen.
Seit einem Gespräch vor Jahren mit meinem kanadischen Kollegen über die Last und die Kosten alter Wassewege und seinen Erzählungen über einen Kanal nach Ottawa aus den Änfängen des 19 Jahrhunderts wollte ich diesen Kanal besuchen. Gebaut aus strategischen Gründen, weil man Angst vor einer Invasion der USA hatte, sollte er zur sicheren Versorgung der neuen Hauptstadt Ottawa dienen. Nun sind die Amerikaner, wie wir wissen, nicht ins britische Kanada einmarschiert und damit hatte der Kanal auch nie eine wirtschaftliche Bedeutung. Aber der 330 km lange Wasserweg war nun einmal da und ohne ihn gäbe es auch keine Hauptstadt Ottawa. Daher ist er ein nationales Monument und wird vom Bund liebevoll verwaltet und in Schuß gehalten. Die Schleusenwärter sind Nationalpark Ranger.
Vielleicht ist das der Ausweg auch für unsere alten Industriekanäle, wie etwa dem Finowkanal, die Aller oder die Lahn. Schließlich ist Berlin aus den Kähnen heraus gebaut worden, die mit Ziegelsteinen aus Brandenburg über den Voßkanal, Tetowkanal oder Landwehrkanal in die neue Hauptstadt gestakt wurden.
Billig ist die Unterhaltung des nationalen Erbes auch für die Kanadier nicht. Die Stemmtore sind orginalgetreu aus Holz erneuert worden und die Kettenmechanik, die immer noch im Einsatz ist, wird natürlich noch von Hand betrieben. Allerdings gibt es auch schon automatisierte Schleusen, wie die in Smiths Falls.
Eigentlich wollte ich ja den Radweg entlang des Rideau Kanals nach Kingston, der alten Hauptstadt an den großen Seen mit dem Rad fahren. Aber leider verläuft der Weg weit weg vom Kanal durch Farmland. Zudem ist er oft nicht zu finden. Auch der in bike Zeitschriften besprochene neue Cataraki Trial auf einer stillgelegten Eisenbahntrasse (siehe mtb Beschreibung) ist keine Kanalbegleitung. Der Rideau Kanal ist am besten vom Boot aus zu erschließen, vom Motorboot oder noch besser paddelnd.
Lohnenswert für Wasserbaubegeisterte ist auch das Schiffshebewerk von 1904 in Petersbourogh. Schöne alte Technik. Vollständig hydraulisch wird ein Niveauunterschied von 20 Metern überwunden.