Schön, wenn...
Alaska ist schön, wenn es nicht regnet. Nicht so sehr die Tundra, aber dafür das Küstengebirge mit seinen Fjorden, den Gletschern, die bis an Meer reichen, dem Panorama steil abfallender Berge und den Kalt-Regenwälder.
In einem
Staat, in dem selbst die Hauptstadt (Juneau) keine Straßenverbindung zum übrigen Land hat, zählen die wenigen befahrbaren Durchlässe von der Küste ins Hinterland zu den gesuchtesten Landschaftsmotiven. Eigentlich sind es nur vier
und ein halber. Seward-Anchourage , Skagway-Whitehorse, alternativ Haines-Haines Junktion und Valdez-Glennallen sind wirkliche Durchstiege. Hyder-Stewart gilt nicht ganz als Übergang, da es vom US-Dorf Hyder keine Verbindung zum Meer gibt. Man kann auch
sonst nirgends hin. Das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum es dort am Grenzübergang keine US Grenzschützer und es keine nervenden Einreisebefragungen gibt. Man muß sowieso wieder zurück nach Kanada.
Die Regenwälder und
die ebenso mächtigen wie zahlreichen Gletscher haben aber einen Grund. Sie entstehen aus dem vielen Regen bzw. Schnee, der fällt. 300 Tage im Jahr soll es an den Küsten Alaskas regnen. Und es ist nicht ausgemacht, daß die 65 Tage ohne
Regen ausgerechnet in die zwei Touristenmonate Juli und August fallen. So ist es ein Lotteriespiel, ob man nichts sieht oder einem vor Staunen die Augen aus dem Kopf zu fallen drohen.
Dieses Jahr muß es den Berichten der Einheimischen zu Folge ein
sehr durchwachsener Sommer gewesen sein. Einige sprachen vom schlechtesten seit Jahrzehnten. Viel Regen und wenig Sonne und Hitze. Gut gegen die Mücken, aber schlecht für die Besucher. Kurz hinter Whitehorse erzählten Koblenzer Urlauber, sie
seien 4 Wochen durch Alaska und den Yukon gefahren und an diesem letzten Tag hätten sie zum erstem Mal Sonne gesehen, sonst meist Regen oder fast Regen. Besonders auf der Kenai Halbinsel südlich von Anchourage hätte es nur geschüttet. Meine
Erfahrungen waren die Gleichen (siehe Fotos). Das scheint auch der Normalzustand dort zu sein und entsprechend merkwürdig sind die Menschen sein, die das aushalten.
So erzählte mir im Thermalbad Liard River, einem beliebten Zwischenstop
am Alaska Highway, ein Alaskarückkehrer von seinem Freund in Homer. Seit sieben Jahren würde er zwei bis drei Mal im Jahr diesen auf der Kenai-Halbinsel gegenüber von Kodiak besuchen. Jedes Mal würde es regnen oder die Wolken so tief liegen,
daß man die Feuchtigkeit direkt abbekäme. Und jedes Mal würde sein Freund meinen, daß es heute garnicht so schlimm ausschaue und das Wetter gut für den Lachsfang sei. Homer Leute galten selbst diesem gestandenen Anchourager als etwas
sonderlich. Und das Wetter dort muß nochmals eine Steigerung im Vergleich zum Rest des Landes sein, sollte diese Geschichte wohl aussagen.
So könnt ihr Euch mein Erstaunen vorstellen, als ausgerechnet am Übergang mit dem höchsten
jährlichen Schneeniederschlag (25 Meter) es für einige Minuten strahlenden Sonnenschein und eine herrliche Fernsicht gab. Direkt neben einem Gletscher stehend konnte man auf jeden Berg über den Fjord von Valdez weitere Gletscher ausmachen. Und
mir fiel nichts Intelligenteres ein als „das ist ein wirklich beeindruckendes Bild“ vor mich hinzubrabbeln. Bald zog es sich aber über Valdez wieder zu und am nächsten Morgen war die Suppe so dicht, daß man kaum die 50 Meter entfernte
Kaianlage sehen konnte. Entsprechend groß war dann auch die Enttäuschung unserer Platz-Nachbarn aus Schleswig-Holstein, die am Vortag bei Sonne ein teure Bootstour zu den kalbenden Gletschern gebucht hatten. Um die kalben zu sehen, müßte
man wahrscheinlich so nah heranfahren, daß man von abbrechenden Eis erschlagen worden wäre. Teures Geld für fallendes graues Eis im Nebel. Später setzte dann auch der Regen wieder ein.
Am Abstieg nach Skagway ähnliches. Von
Whitehorse bis zum Whitepass sonnig, am Scheitel fuhr man dann in die Wolken hinunter und unten in Skagway dümpelten die fünf großen Kreuzfahrtschiffe im grauen und tristen Fjord.
Moral aus der Geschichte: Ob es ein schöner und spektakulärer
Urlaub ist, hängt vom Wettergott und dem Zufall ab, zur richtigen halben Stunde am perfekten Ort zu sein. Oder man redet sich das Land so schön, wie die Leute in Homer. Alles andere ist grau.
Resümee der Erkundung der nördlichen und
westlichen Grenze meiner Reise: Man muß soviel unverbaute Landschaft mal erfahren haben. Ob es einem gefällt, hängt vom Wetterglück und von der eigenen Fähigkeit zur Selbstbegeisterung ab. Wie ein Ire mich nach zwei Wochen Regen in
dem grünen Land nicht mit dem Hinweis begeistern konnte, daß doch der halbe Tag Sonnenschein für alles entschädigen würde, werden Nordlandfahrer mich nicht mehr zum Besuch Alaskas überreden können. Schluß und Aus für
den Jack London Kindheitstraum. Einschränkung: Vielleicht die Inlandspassage mit dem Kreuzfahrtschiff von Vancouver nach Seward. Aber dafür muß ich erst das Rollator Alter erreichen.