Grob lässt sich Marokko in vier gänzlich unterschiedliche Landschaften und Entwicklungszonen einteilen. Nördlich des hohen Atlas ähneln die Landschaft und die Temperaturen denen Südspaniens. Im Winter und Frühjahr grün, regnerisch, Gemüseplantagen unter Plastik, Wälder und hügeligen Getreidefeldern wie in der Toskana (nördlich Meknès). Hier finden sich auch die Großstädte Tanger, Rabat, Casablanca, Fes und Marrakech, mit den alten Medinas für die Touristen und den neuen Vorstädten für die Wohlhabenderen mit Straßenkaffees, Shoppingmalls und den internationalen Modeketten wie in Paris.
Zwischen den beiden Gebirgszügen, dem Hohen- und dem Antiatlas, zieht sich quer durchs Land von Nordosten nach Südwesten ein sehr trockenes Tal. Hier reiht sich eine Oase an die Andere zur „Straße der Kasbahs“, mit Abstechern in die Todraschlucht, ins Dadestal und zur Hollywoodmetropole in der Wüste Ouarzarzate.
Südlich des Antiatlas beginnt die Sahara. Doch das Wüstengefühl in Marokko hält sich in Grenzen. Rund 100 km hinter den Ausläufern des Antiatlas beginnt schon die stark militärisch gesicherte und zurzeit unpassierbare algerische Grenze.
Zudem gibt es noch die ehemalige spanische Sahara, die sich Marokko Ende der 70er Jahre einverleibt hat. Ein dünn besiedelter Küstenstreifen, der 200 km südlich Agadirs beginnt und sich 900 km an der Atlantikküste hinzieht. Einzige Attraktion: das neue Kitesurfer-Paradies Daghla, wenn ich die Reiseführer richtig interpretiere, die auch jede Tankstelle und jedes Restaurant in der Gegend als beachtenswürdig beschreiben. Dort war ich nicht. Meine südlichen Wendepunkte war Guelmin und Sidi Ifni, rund 150 km südlich von Agadir.
Marokko ist längst nicht mehr „Tausend-und-eine Nacht“ und weit entfernt vom Land orientalischer Träume oder existenzialistischer Sinnsuche a la „Himmel über der Wüste“. Rabat, Tanger und Casablanca tragen das verwechselbare Gesicht moderner Millionenstädte westlicher Prägung. Das gilt besonders für Agadir. Hochgeschwindigkeitszüge, Autobahnen und gut ausgebaute Landstraßen prägen die Regionen nördlich des hohen Atlas.
Südlich davon nimmt die Supermarkt- und Hochhausdichte deutlich ab. Doch auch hier hält der „Fortschritt“ mit atemberaubender Geschwindigkeit Einzug. Zu alte Lehmdörfern, die seit Jahrhunderten nur über Staubpfade erreichbar waren, führen jetzt breite Teerstraßen. Die bei Geländefahrern so beliebten Pisten verschwinden unter modernem Straßenbelag. Die Tankstellendichte entspricht fast der Europas und auch in den entlegensten Dörfern sind moderne Schulen entstanden, die von Mädchen und Jungen rege besucht werden. Auch die Berber schicken ihre Kinder jetzt zur Schule.
Touristen sind allgegenwärtig, auch in den einsamsten Bergregionen des Atlas trifft man sie. Die Besucherszenen haben unterschiedliche Hot-Spots. Kulturbeflissene Städtereisende bieten sich als Opfer in den alten Medinas der Königsstädte nördlich des hohen Atlas an. Kitesurfer sammeln sich in der Bucht von Mogador und in Dakhla. Die gesamte europäische Surflehrerszene dümpelt im Winter auf den Wellen nördlich von Agadir.
Die Dauercamper und Überwinterer belegen die Küstenzeltplätze 100 km nördlich und südlich Agadirs. Rundreisende trifft man auf der Route de Kasbahs zwischen Hohen und Antiatlas, sowie an den Endpunkten der Stichstraßen zu Saharastädtchen Erfoud (Dünengebiet Erg Chebbi), Zagora und Tata. Auf Wohnmobile trifft man überall, wo es geteert ist und das ist in den letzten Jahren fast überall.
Und die Allradszene sucht auf den wenigen nicht geteerten, daher überfüllten Pisten zwischen den Oasen entlang der algerischen Grenze nach dem letzten Offroad Abenteuer. 30 km oberhalb dieser Pisten finden sich wunderbar leere, gut geteerte Straßen durch ähnliche Landschaften.
Und ich bewegte mich mal wieder quer zu allen Richtungen und durch alle Szenen. Wie ihr in Deutschland beklagten auch alle Marokkobesucher den Winter 2018. Viel Regen und Kälte (10 Grad) nördlich des Atlas. Selbst die ansonsten klimatisch begünstigte Bucht um Agadir war kein sicherer Überwinterhafen (Sturm und Regen). Zagora hatte im Januar 15 Tage Sandsturm.
Regen in der Wüste habe ich selbst erlebt und die Temperaturen pendelten zwischen 10 Grad bei Feuchtigkeit und 30 Grad bei Sonne. Auf den Bergen des hohen Atlas lag viel Schnee und auf den Pässen stieg das Thermometer tagsüber nur knapp über den Gefrierpunkt. Daher laufen die Skilifte dort bis in den April hinein.