Wo die Zitronen glühn
Reisen an die exotischen Ränder der Welt habe ich versprochen. Zwar wandele ich seit Mitte Januar an den Grenzen der europäischen Welt, aber immer noch innerhalb der Festung. Die Säulen der Erde, die Atlas in der griechischen Mythologie auf seinen Schultern trug, sind fest im Blick. Aber den Sprung über die Meerenge nach Marokko habe ich diesmal nicht geschafft.
Drei Ziele hatte ich für diese Reise
1. Dem Winter und der Kälte entfliehen
2. Noch einmal für größere Radtouren im Sommer fit werden
3. Ein sicher zu bereisendes arabisches Land besuchen, nämlich Marokko.
Die ersten beiden Ziele sind erreicht.
Abgesehen vom ersten Tag südlich von Valencia, der mit seinem Starkregen und den Sturmböen an Hurrikan Matthey in den USA erinnerten, war fast zwei Monate Frühling in Andalusien. Mandelbäume blühten, Bougainvilleas sowieso, viele Wildblumen auch und jetzt sogar die Margriten. Die anfänglichen Höchsttemperaturen von rund 20 Grad steigerten sich bis auf sommerliche 30 vorgestern.
Ideale Voraussetzungen also um ausgiebig am zweiten Ziel, der Fitness zu arbeiten. Auch das ist gelungen. Ich könnte jetzt zu Alpencross Touren starten. Doch die sind verschneit und auch in der Sierra Nevada konnte ich gestern auf den Vorbergen oberhalb Granadas Neuschnee erkennen. Dort ist die Temperatur von 30 Grad vorgestern auf 3 Grad gestern gefallen.
Das Rad Training habe ich aber etwas übertrieben. Nach einer ruppigen Mountainbike Tour durch die Berge bei Ronda klemmten zwei Finger der linken Hand. Und sie wollte sich auch nur wieder mit Hilfe der anderen Hand strecken lassen.
Das hatte ich auch noch nicht erlebt und wer kommt schon auf die Idee, vor dem Radtraining eine Fingerstärkung zu machen. Es wird immer wunderlicher im Alter.
Also habe ich die für den nächsten Tag geplante Überfahrt gecancelt und die Finger in Ruhe gelassen. Ich wollte die weitere Entwicklung abwarten. Denn nicht nur Fahrradfahren war schwierig, auch Autofahren war nur mit einer Hand möglich. Es dauerte zwei Wochen bis es besser wurde. Jetzt hakt nur noch ein Finger morgens etwas. Aber bei Belastungen meldet sich auch der andere wieder klemmend zurück.
Damit will ich nicht nach Marokko.
So kann ich Euch nur wenig exotische Dinge aus Andalusien und dem Alentejo berichten. Hitlisten der schönsten weißen Dörfer aufstellen. Meine Wahl zum beeindruckensten Schlossberg im Alentejo verkünden und einige Hinweise auf interessante Wanderungen geben.
Fast hätte ich von der Realisierung meines alten Wunsches berichten können, surfen zu lernen. Die Surflehrerin in der Nähe des Kaps Trafalgar sah umwerfend in ihrem engen Neopren-Anzug aus. Und außerdem finde ich, dass meinem VW Bus ein Surf Bord sehr gut stehen würde. Aber das scheiterte, weil kein Surfanzug in meiner Größe in der Ausleihe war. Und ohne Neoprenschutz ist der Atlantik um diese Jahreszeit zu kalt. Bella Figura hätte ich sowieso nicht gemacht und die Surflehrerin war deutlich zu jung.
„Wir sind doch keine Überwinterer“, mit gespielter Empörung wies Ruth meine englische Nachbarin an der tropischen Küste Andalusiens meine Aussage zu Langzeitreisenden zurück. „Überwinterer kommen im September /Oktober in den Süden“ belehrte sie mich „…sie ziehen dann im März/April zurück. Wir sind nur Urlauber, zugegeben ein etwas längerer Urlaub, aber letztendlich Urlaub. Wir kommen im Januar und bleiben bis Anfang März. So machen wir das jetzt schon seit 20 Jahren.“
Mich hat diese strikte Abgrenzung nachdenklich gestimmt. Zumal Ruth Überwintern als einen anderen Lebensentwurf bezeichnete. Für sie sind Überwinterer Übersiedler auf Zeit. „Sie lösen ihre Wurzel in der alten Heimat und schlagen neue im Winter. Anderer Freundeskreis nur für diese Zeit, neue Parallelgesellschaften mit heimischen Riten wie Tanztee am Nachmittag und frühen Abendessen weit vor den Spaniern. Und im Sommer geht es zurück ins alte Leben.“
So wie Ruth scheinen es viele Briten zu machen. Im Januar und Februar waren die Campingplätze in Südspanien voll belegt. Und UK hatte die Mehrheit. Man kommt in den Genuss einiger fremder Gewohnheiten von der Insel, wie den Pub Besuch am Freitagabend mit lustigen Hütchen auf dem Kopf und Kneipenspielen (fast wie Karneval) oder Square-Dance Übungen mit 30 älteren Herrschaften am Nachmittag auf der Restaurant Terrasse in Conil (auch lustig anzusehen). Aber Briten mit denen ich ins Gespräch kam machen sich Sorgen, wie es nach dem Brexit mit dieser liebgewordenen Routine weitergehen kann. Ich habe keinen getroffen, der das Referendum gut fand. „Macht nie den Unsinn einer Volksabstimmung“, war ihr Rat, den sie mir mitgeben wollten.
Jetzt Mitte März sind die vorher geschäftigen Plätze leer und öde. Die Einheimischen erholen sich von der Wintersaison und bereiten sich auf den Osteransturm vor.
Bisher trennte ich frei nach einer Geschichte aus Paul Bowles Roman „Himmel über der Wüste“ zwischen Reisenden und Urlaubern. Ersteren ist das Ziel egal und sie wollen nur unterwegs sein. Urlauber dagegen versuchen möglich bald anzukommen und zu bleiben.
Und was war ich nun nach meinem zweiwöchigen Aufenthalt in der Nähe von Almunecar? Ein Kurzüberwinterer, ein Stotterreisender oder ein Serienurlauber?
Egal, Hauptsache Sonne, Wärme und Spaß.