Begegnungen auf dem Weg

Mittagsrast an einem Sonntag

Die vielen Wanderer aus den USA und Kanada störte die Gegend weniger als mich. Sie waren begeistert von der langen Geschichte des Fernpfades und der sowohl billigen sowie guten Übernachtungs- und Versorgungsinfrastruktur. Überall gäbe es Herbergen für 5 bis 10 Euros in Mehrbettzimmern und Einzelzimmer seien, um die Zeit für 30 Euro schon zu haben, schwärmten sie. Die meisten zogen Vergleiche zu den US-Fernwanderwegen wie den Appalachen Trial oder dem Pacific Crest. Dort ständen nur kleine Selbstversorgerhütten oder wilde Zeltplätze und alle paar Tage käme man an einem Lebensmittelladen vorbei. Dagegen sei die Situation auf dem Jakobsweg deutlich entspannter. Sogar sonntags hätten die kleinen Supermärkte in den Käffern auf.

Doch die Mehrheit der Pilger waren Frauen im mittleren Alter. Es klingt wie ein Klischee, aber alle mit denen ich ins Gespräch kam, redeten von der Neuordnung des Lebens nach einem schweren Schicksalsschlag oder vom ruhigen Nachdenken, was mit dem zweiten Teil des Lebens anzufangen sei, nachdem Mann und Kinder aus dem Haus seien.

Von Vergebung der Sünden, religiöser Erleuchtung oder der Suche nach Gott sprach keine. Dabei ist das doch der ursprüngliche „Markenkern“ der Pilgerfahrt. Durch eine Pilgerreise nach Santiago sollen einem alle Sünden vergeben werden. Dokumentiert wird der Bußgang im Pilgerpaß, der in jeder Etappenherberge abgestempelt wird. Früher konnte man sich den Erlaß der Sünden auch durch Geld erkaufen und einen anderen für sich pilgern lassen. So entstand in der Hochzeit des Jakobswegs der Arbeitsplatz des Berufspilgers.

Am höchsten Punkt des Weges

Nachtlager für den Begleittross. Ab Leon alle 50 km.