Deutsche Migranten in Frankreich

Denke ich an Casablanca, fällt mir immer zuerst der US-Kriegsfilm mit Humphrey Bogart ein, der den Namen der nordmarokkanischen Stadt trägt. Die tragische Romanze und der selbstlose Verzicht des Helden Rick auf die Liebe seines Lebens machen ihn weltweit zum Rollenmodell für das Gentleman gerechte Verhalten in einer „Amour fou“.

Als ich 78 Jahre nach der Spielhandlung durch die nordafrikanische Stadt zurück nach Europa fuhr, erschien mir die Filmkonstellation surreal. Zu Beginn des 2. Weltkrieges sammelten sich in Casablanca die Deutschen, die vor den Truppen des Nationalsozialismus fliehen mussten. Die Stadt war einer der letzten Orte vor dem rettenden Sprung ins sichere, liberale Exil - nach Amerika. Heute fliehen Menschen in die umgekehrte Richtung. Tausende warten in Nordmarokko auf den entscheidenden Schritt ins ersehnte Europa.

Die hohen Stacheldrahtzäune mit Laufgräben und Videoüberwachung um den neuen Tanger Med. oder um die spanischen Enklave in Afrika Ceuta machen deutlich, wie schwer es aktuell ist, die Festung Europa zu erreichen. Vielleicht vergleichbar mit den Problemen der Nazigegner, eine Transitpassage in die USA zu ergattern.

Und so schaute ich mir den Film Casablanca noch einmal genauer an und entdeckte hinter der Amour fou eine komplexe Situation, die heutzutage nicht mehr so einfach zu entschlüsseln ist. Wohin führte die Flugpassage, die Rick seiner Geliebten und ihrem Mann überlassen hat? Warum quoll Ricks Bar in Casablanca vor Flüchtlingen aus Deutschland über und was machte deutsches Militär in Uniform in der Region? Und überhaupt, was ist ein „Danger Visa“ oder ein „laissez sorti“?

Erste Aufschlüsse gaben mir die erneute Lektüre der Fluchtromane von Anna Seghers „Transit“ und von Erich Maria Remarque „Nacht in Lissabon“. Anschließend kämpfte ich mich durch die zahlreichen Lebensberichte der Exilierten. Und so entstand die Idee, auf meiner diesjährigen Sommerreise die Etappen der deutschen Exilanten in Frankreich zu besuchen.