Die entscheidenden 200 km
Heutzutage müssen die letzten 100 km vor Santiago gewandert oder 200 km Fahrt mit dem Rad dokumentiert werden, um am Zielort die erstrebte Urkunde zu bekommen. An einem verlängerten Wochenende (3 Tage) ist Vergebung erpilgerbar. Doch Vorsicht: Die Sünden werden nur Beitragszahlern im Verein der Katholen vergeben, erklärte mir ein Mitglied des göttlichen Bodenpersonals unterwegs. Ja klar, dachte ich mir, Luther hat seine Kirche schließlich im Widerstand zum katholischen Ablasshandel aufgebaut. Und nichts anderes ist das Santiago-Pilgern in seinem religiösen Ursprung.
Die Mindestpilger-Entfernung macht aber auch ästhetisch Sinn. Nach dem Überschreiten des höchsten Punktes des Jakobsweges in der Sierra Leon (ca. 1800 m) ergrünt die Landschaft an der galizischen Grenze. Dichte Wälder mit Hohlwegen wechseln sich mit satten grünen, von vermoosten Steinmäuerchen und Brombeergestrüpp eingefassten Wiesen ab. Ab Astorga nimmt auch den Radverkehr zu und ab dem 100 km Stein kurz hinter Sarria wimmelt es von Wanderern.
Pilgern light-wie die englische Wandergruppe, die ich in der Herberge kurz vor dem 100 km Stein traf. Sie hatte eine 10 Tage Wanderung auf dem Jakobsweg gebucht. Jeden Morgen wurden sie aus ihrem Luxushotel mit dem Bus zur Ausgangsetappe gebracht und wanderten 10 km. Am Schlusspunkt des Tages kehrten sie in eine Herberge ein, umlagerten die Ausgabe des Pilgerstempels und fuhren anschließend mit dem Bus zurück in ihr Hotel. Und sie waren nicht die einzigen. Dutzende Busse traf ich auf der letzten Etappe vor Santiago.