Fernwanderweg über dem Atlantik
Mit der Zeit sammeln sich viele Notizen über Urlaubsideen an. Interessante Reiseberichte in den Zeitungen reißt man raus oder druckt sich einige attraktive Reportagen aus. Alles landet dann in der großen Grabbelkiste mit der Aufschrift: „Könnte man ja auch mal machen“. Und dann vergisst man es wieder und das Papier rottet vor sich hin.
Vor der Reise habe ich meine Grabbelkiste wiederentdeckt und alles von Frankreich bis hinunter nach Mauretanien ungelesen mitgenommen. Bei meiner Suche nach handschonenden Aktivitäten auf der südlichen iberischen Halbinsel bin auf eine Notiz über den EU geförderte Fernwanderweg entlang der Atlantikküste des Alentejos gestoßen.
Das klang interessant, lag quasi „um die Ecke“ und sah so ganz anders aus als meine Horrorbilder, die ich von meinem letzten Algarvebesuch in Erinnerung hatte. Keine Lifte und Rolltreppen runter zum Sandstrand wie in Albufeira oder kreativ gestaltete Bettenburgen in Faro, in denen noch nicht einmal der „geniale“ Architekt übernachten würde. Nur ein rund 150 km langer, durchgehend markierter Wanderweg, der die alten Pfade zwischen den abseits gelegenen Fischerdörfer wiederbelebt.
Also habe ich dem Süden Portugals eine zweite Urlaubs-Chance gegeben. Und siehe da selbst im tiefen Westen der Algarve finden sich zwischen Lagos und Sagres noch unverbaute Buchten, schöne Städtchen (Lagos), imposante Festungen (Sagres) und ruhige alte Kurorte mit Thermalbädern und Wanderwegen in den Bergen (Monchique).
Auf dem Weg zum nördlichen Ausgangspunkt der Wanderung bei Porto Covo in der Bucht der Industriestadt Sines, 70 km südlich von Lissabon habe ich zuerst die Bestätigung dafür gefunden, dass es den Weg wirklich gibt, er gut markiert und von vielen Hinweistafel mit EU Logo bestanden ist. Bei der Visite der möglichen Etappenzielen musste ich jedoch festgestellten, dass fast nichts geöffnet hatte. Restaurants und Kioske waren verrammelt, Hotels verweist, Campingplätze kaum von Werkhof nebenan zu unterscheiden und bis auf einen waren sie alle geschlossen.
Obwohl das Wetter ideal zum Wandern war (20 Grad, Sonne und ein kalter Westwind) hätte man für die Fernwanderung entweder einen begleitenden Bagagewagen oder eine Expeditionsausrüstung (großer Rucksack, Zelt, Kocher und Proviant für drei bis vier Tage) gebraucht. Die Ausrüstung dazu hätte ich noch zusammenbekommen, aber wer geht schon gerne mit voller Survival-Ausrüstung für die Wildnis durch besiedeltes Gebiet, wo jede Bucht von einem ganz normalen PKW angefahren werden kann.
Auf der Inspektionsreise nach Norden, rund 30 km vor Porto Covo, verdächtigte ich meinen Bus, daß er seine Gummiteile verbrennt. Eine Inspektion des Motors ergab aber keine geschmolzenen Leitungen. Auch deformierte Plastiktüten waren nicht zu finden und geröstete Marder in der Standheizung würden nicht so penetrant nach verbrannten Reifen stinken. In Porto Covo, einem an sich schönen, quadratisch angelegten Fischerdorf und dem ersten mit voller Infrastruktur (Supermärkt, Restaurants, Hotels, Stellplätze, Campingplatz- und alles offen) stellte ich dann fest, daß es nicht nur im Bus, sondern auch außerhalb erbärmlich nach verbranntem Gummi roch. Sancho Panzer war unschuldig. Die petrochemischen Anlagen von Sines verpesteten weiträumig die Gegend. Es stank, als würde man ein riesiges Reifenlager abfackeln.
Für die Wanderung bedeutete das, die ersten 40 km der Fernwanderung habe ich mir wegen der Gefahr des petrochemischen Gestanks gespart und die Fernwanderungen auf dem an sich schönsten Teil zwischen Vila Nova de Milfontes und Odeceixe ist auf 3,5 Tagesetappen (jeweils Hin-und Zurück an einem Tag) zusammengeschrumpft. Ehrlich gesagt, es reichte auch. Baumlose Wiesen und Weidenlandschaft über den Klippen des Atlantiks, abgelöst von einigen Abstiegen in wilde Buchten, vereinzelte kleine Dörfer mit Häusern so groß wie Garagen sind einen Tag schön. Am zweiten fragt man sich schon, ob es nicht ein bischen Abwechslung im Programm gibt und am dritten Tag verflucht man sich, daß man bei dem öden Einerlei überhaupt losgelaufen ist. Wie muß man drauf sein, das 10 Tage lang mit einem 20 kg Rucksack zu ertragen? Und die Alternative, den Wanderweg mit dem Rad zu befahren, sollte man sich wegen des ständigen Windes vom Altlantik auch gut überlegt. Technisch ist der Weg für Tourenräder geeignet. Aber für mich schied er wegen der Hand aus.
Zwei Tage nach diesen Wanderfreuden las ich bei Spiegel Online im Reiseteil einen Bericht über die Rota Vicentina. Falls ihr den Artikel ausgedruckt und in Eure Grabbelkiste gesteckt habt, schmeißt in weg. Ich bezweifele, daß der Autor auch nur einen Meter auf dem Weg gewandert ist. Nichts deutet auf eigene Erfahrung - alles weist auf das Umschreiben der Pressemappe des portugiesischen Fremdenverkehrsverbandes hin. Als alter Pressesprecher „erkenne ich meine Schweine am Trab“. Wenigsten war Spiegel Online so ehrlich, dem Verband für die Unterstützung bei der Portugal Artikelserie zu danken.
Und da in der Serie ein noch dümmlicherer Bericht über die Bergfestungen im Alentejo stand (Erkenntnisgewinn: es gibt viele Festungen auf den Bergkuppen über der Ebene. (Kommentar von mir: Das sieht man schon von den Autobahnen)) hier nun meine Hitparade der wirklich besuchten und besuchenswerten
1. Estremoz: Vollständig erhaltene befestigte Unterstadt mit klassischer ummauerter innerer Burgfeste. An einer Flanke des Berges dann die teilweise befestigte neuere Unterstadt mit riesigen Appellhof-Platz, Renaissance Palästen und lebendigen Gassen. Obwohl direkt an der Autobahn Badajoz (Spanien) – Lissabon gelegen ein entspanntes untouristisches Kleinstadtidyll.
2. Portel: Nicht alles so systematisch ummauert wie in Estremoz. Kleine Gassen, die sich den Hang hochziehen und plötzlich steht man vor der Burg, die nur noch die Mauern hat. Innen ist nichts. Und auf der Rückseite kleine Schrebergärten.
3. Evoramonte: Kleines unspektakuläres Dorf, ein langer, steiler aber beschaulicher Weg hinauf zur Festung mit herrlichen Blicken in die Ebene, in der Festung das alte Dorf und mitten drin die quadratische Burg mit mächtigen Rundtürmen an jeder Ecke (geschlossen). Evoramonte ist so unspektakulär, daß es noch nicht einmal als Burg in Reiseführern erwähnt wird oder nur in einem Nebensatz, „ in Sichtweite von… Estremos“ oder „…von Evora“.
4. Evora ist eigentlich kein Burgberg, sondern ein richtiges Städtchen auf einer Anhöhe in der Ebene. Von der Aufnahme in die Weltkulturebeliste sollten man sich nicht abschrecken lassen. Evora ist als ummauertes Ensemble mit kleinen Gässchen, und einer winzigen Fußgängerzone schön. Es läßt sich gut darin herumbummeln ohne daß man den Eindruck eines Museumsstädtchens oder eines mittelalterlichen Disneylands hat. Auf der Spitze des Berges steht statt einer Burg die Ruinen eines römischen Tempels. Herrliche Aussicht über die Ebene von dort oben. Mich hat beim Blick von da oben besonders die lange viaduktartige Wasserleitung imponiert (Aqueduto de Prata), die sich durch die Ebene schlängelt und dann einfach über die Stadtmauer gelegt wurde. Wahrscheinlich eine spätmittelalterliche oder frühneuzeitliche Bausünde. Die Leitung ist den römische Wasserleitungen (Aquädukte) nachempfunden.
5. Monsaraz: Gilt nach der portugiesischen Fremdenverkehrswerbung als schönstes Burgdorf des Alentejos. Ja die Mauern sind schön restauriert, es gibt genügend Parkplätze für die Besucher, die sich von der Werbung inspirieren lassen. Das Dorf im Inneren ist schön herausgeputzt. An vielen Ecken gibt es Souvenierläden. Vielleicht war ich von den anderen Dörfern und Städtchen schon voreingenommen, die authentischer waren. Monsaraz war dagegen eher Disneyland.
6. Mourao: Auf dem anderen Ufer des Stausees, Monsaraz gegenüber gelegen. Obwohl auch an der ausgezeichneten Tourismusroute der Burgberge ist die Kleinstadt deutlich entspannter und belebter als ihr Gegenüber. Grenzfestung zu Spanien.
Um die 10 voll zu machen, müßte ich Presseveröffentlichungen des Fremdenverkehrsverbandes umschreiben oder aus den Reiseführern abschreiben. Es gibt noch viele Burgberge im Alentejo, aber die habe ich alle nicht besucht und kann daher auch nichts über sie sagen.